Es braucht Änderungen

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Gastbeitrag:

Die Ursachen der Fluchtbewegungen auf der Welt sind mehr und mehr klimatischen Veränderungen zuzuschreiben. Die zunehmende Verwüstung und der Trinkwassermangel in der arabischen Welt und Nordafrika führen zu einer Lage der Ausweglosigkeit. Europa zerstört die dortigen Märkte durch Angebot seines subventionierten Gemüses und Fleisches und liefert Waffen an den IS über die Türkei. Die Geburtenraten sind immer noch dramatisch hoch, es fehlt an Perspektiven und so kommt es zu Kriegen und Hungersnöten. Alle diese Ursachen sind „menschengemacht“. Seit Jahrtausenden verengt sich der Lebensraum der Levante und Mesopotamiens und führt zu Ausweichbewegungen an der Peripherie des arabischen Raums. Dort stoßen sie auf Völker, deren starke Religiosität möglicherweise als Reaktion auf diese Bewegungen angelegt wurde. So gerieten wir in den jetzigen Zustand unversöhnlicher Weltbilder. Der Konflikt von Kommunismus und Kapitalismus erscheint unter diesem Drama nur noch als Scheingefecht, das für beide Seiten rechtfertigt, mit den Problemen von „Andersdenkenden“ nichts mehr zu tun haben zu wollen.

Russland schottet sich gegen die Welt ab mit dem Hinweis auf kapitalistische Verseuchung, so wie der Westen sich jahrzehntelang gegenüber kommunistischen Umtrieben abgeschottet hat. Beide Seiten steigerten sich in Weltbilder hinein, die mit anderen Vorstellungen vollkommen unvereinbar erschienen. Die Wachstumsdoktrin des Kapitalismus ist genauso unumstößlich wie die Doktrin der absoluten sozialen Gleichheit aller Menschen im System des Kommunismus. Beide Doktrinen widersprechen dem einfachen Menschenverstand und sind doch die maßgeblichen Handlungsmotivatoren. Auch der unkontrollierte Zustrom der Flüchtlinge in Deutschland steht unter der Ägide frischer Arbeitskräfte, die der Markt bräuchte, weil wir sonst auf Dauer nicht wettbewerbsfähig wären. Die Scheinmoral des Bürgertums war immer das Problem jeder „Zivilisation“.

Riesige Reiche, die sich in eigenen Ideologien abgeschottet haben, sind in der Geschichte immer zusammengebrochen. Von Babylon über das Reich der Hethiter und den Römern; bis zum heiligen deutschen Reich römischer Nation ist alles, was sich in seinem Größenwahn als unersetzlich betrachtet hat, auf grausame Weise niedergegangen. Dieser Zerfall ist unaufhaltbar, wenn er einmal eingesetzt hat. Er zeichnet sich nicht nur durch eine aggressive Verteidigung seiner Anschauung nach außen hin aus, sondern auch durch selbstzerstörerische Kämpfe im Inneren, wie sie die zwei Weltkriege und der kalte Krieg aufgezeigt haben. Immer neue Feindbilder müssen her, um von dem eigenen Zerfall abzulenken. Gleichzeitig wird krampfhaft versucht, Leitdoktrinen aufrecht zu erhalten, die die Pfründe der Besitzenden sichern. Dies geht vor allem zu Lasten der Schwächeren, sowohl innerhalb als auch außerhalb der herrschenden Schichten. Demokratie ohne soziale Gerechtigkeit ist wertlos, weil man zur politischen Teilhabe Busfahrscheine braucht, Eintrittsgeld für Weiterbildung, Bücher, Räume für Treffen, Dinge, die sich viele Menschen nicht mehr selbstverständlich leisten können. Von Hartz IV kann man gerade noch die Zigaretten bezahlen.

Wenn man 16 Milliarden in die Bewältigung der Flüchtlingskrise steckt, müsste man auch weitere 16 Milliarden in die Hilfe von Arbeitslosen stecken. Denn diese treten in natürliche Konkurrenz zu den Flüchtlingen um Wohnraum, Hilfsleistungen und Arbeit. Doch im Denken der Politiker ist es gewohnheitsmäßig anders herum. Es fehlen 16 Milliarden Euro und die müssen eingespart werden. Und einsparen tut man nicht dort, wo die Wählerschichten der Mittelschicht sind, sondern unten. Das heißt, wenn dort nicht ein Umdenken stattfindet, dass sich die Lage der unteren 30 % nach Hartz IV und der Wirtschaftskrise noch einmal deutlich verschlechtern. Wenn wir Polizisten in Amerika sehen, die andere Menschen wie Vieh behandeln, dann müssen wir auch daran denken, was diese Polizisten selbst erlebt haben und welche Katastrophe sich in ihrem eigenen Leben ereignet haben muss, damit sie so wurden. Es darf erst gar nicht so weit kommen, dass Menschen so abrutschen, dass sie sich als Lohnsklaven gegenseitig schikanieren. Es braucht eine Solidarität mit allen Mitbürgern und eine intelligente Lenkung der Flüchtlingsströme in Kreisläufen, bis diese abebben.

In Krisen gerät man leicht in einen Tunnelblick und nimmt die wesentlichen Dinge nicht mehr wahr. Der Fokus ist allein auf die akuten Missstände gelegt und es fehlt die Kapazität, weitreichende Entscheidungen zu treffen. Vorratsdatenspeicherung, TTIP und Kampfdrohnen werden mit den nächsten Krisen schnell Realität. Eine Stadt wie Münster, die weitgehend auf Produkte verzichtet, die durch Kinderarbeit oder mit Atomkraft hergestellt sind, unter unfairen Bedingungen oder in Zusammenhang mit Rüstungsindustrie, würde mit TTIP auf Schaden in Millionenhähe verklagt werden können.  Echte Lösungen, die nicht auf einen weltweiten Polizeistaat hinauslaufen, geraten in den Hintergrund. Die Weimarer Zeit ist ein Beispiel eines sich rapide verschlechternden Gemeinwesens, wie es auf der Welt wohl beispiellos war. Ein Land an der Spitze der Kultur versank in Anarchie. Es hatte zu viele Baustellen und zu wenig Unterstützung. So entstand die größte Katastrophe der Weltgeschichte. Noch immer gibt es viele Menschen, die Deutschland nicht trauen und seinen Leitvorstellungen nicht folgen. Dies ist aus der Historie nicht verwunderlich.

Heute gibt es viele „Weimars“, die sich am Trunk der vermeintlichen Zivilisation gelabt haben und unvermittelter Dinge in barbarische Strukturen zurückfallen. Nicht nur in der arabischen Welt, sondern auch in Afrika, Südamerika, im fernen Osten und auch in Europa. Überall auf der Welt versinken Staaten in der Spirale von Armut, Überschuldung, Kriminalität und Drogenmissbrauch. Dies dürfte nun dem letzten Menschen auf dem Planeten klar geworden sein, auch dem deutschen Gut- oder Wutbürger. Es geht nunmehr nicht mehr nur um sein kleines Universum, sei es von der Idee des Guten beseelt oder von der Angst des Fremden. Es geht darum, sich selbst als menschliches Wesen mit Vertrauen in die Schöpfung zu begreifen und zu begreifen, wie wichtig Heimat für dieses Wesen ist. Sichere Heimat mit trinkbaren Wasser, Brot und Bildung und ohne Angst vor Überfremdung und Übernahme durch eine andere Macht.

Solange dies nicht jedem Menschen auf der Erde zur Verfügung steht, wird es Krieg und Flucht geben. Jeder Mensch sollte einen Anspruch auf das Wesentliche zum Leben erhalten. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, das seine Würde und seine Menschenrechte bewahrt. Über Verteilungsgelder kann man später streiten. Ansonsten werden die Massen von Wanderarbeitern und heimatlosen Söldnern für die Zwecke der Konzerne immer weiter missbraucht, bis es keine Menschenrechte mehr gibt. Nirgendwo auf der Welt. Es gibt dann nur noch Ressourcen, und wer diese nicht hat, der wird aussortiert. Er ist angewiesen auf Almosen und Willkür, weil er diese Rechte auf Heimat, Wasser, Brot und Bildung nicht besitzt. Jeder wird anfangen, dem anderen das Wasser abzugraben, so wie es in Kalifornien gerade geschieht. Ohne Bildung wird er die Zusammenhänge nicht mehr verstehen, die zu seiner Lebenskatastrophe geführt haben, er wird sich totalitären Ideen anschließen. Diese werden wiederum die letzten Ressourcen im Kampf gegen andere Ideologien ausbeuten, sie werden die Meere verseuchen, die Untergründe abfracken und die Luft verpesten – weil das Wissen um die Schädlichkeit dieses Tuns verloren gegangen ist und jeder im anderen den größeren Schuldigen sieht.

Innerlich leiden wir an diesem Zustand, vor allem an der Hilflosigkeit, ihn nicht aufhalten zu können und der Wucht, mit der uns alles um die Ohren fliegt. Nach Außen aber müssen wir eine Mine der Selbstbewusstheit zur Schau tragen, da unser Leben in Gefahr ist, sollten wir aus dem Arbeitsprozess aussortiert werden. Ohne ein unsanktionierbares Menschenrecht auf das Notwendigste, ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es die Violetten seit 2005 fordern, wird sich dies nicht ändern. Es wird sich immer jemand finden, der auch die allerärmsten noch auszubeuten versteht. Spiritualität bedeutet, die Ursachen bei sich selbst zu suche und nicht im Anderen. Spirituelle Politik bemüht sich dementsprechend um Aufklärung für eine humanere Welt. Änderungen fangen immer bei uns selbst an.

Andreas Bleeck, November 2015

 

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Author: hessenvorstand

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