Die BITCOIN-Währung – eine Alternative?

Seit dem als Dauerkrise wahrgenommenen Einbruch der Immobilien und Finanzmärkte von 2007 wird gelegentlich über das Bitcoin-Projekt berichtet…meist erstaunt bis begeistert, sehr detail- und faktenreich ausgeschmückt und mit einem Hauch von Bewunderung und Verwegenheit versehen. Das Bitcoin ist eine Art neues, rein digitales Geld und erfreut sich wachsender Beliebtheit in der Netzgemeinde. Diese Währung braucht keinen Gang zur Bank, ja nicht mal mehr eine Bank im ursprünglichen Sinn. Das klingt zumindest im ersten Moment interessant, wie zum Beispiel im heutigen Artikel beim FREITAG (hier) online.

Bitcoin Geldstück

Doch es fällt im Vergleich mit anderen Quellen etwas auf. Allein wenn man sich die reichhaltigen Ausführungen zum Thema Bitcoin bei wikipedia anschaut (hier), kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass da sehr viel Wind gemacht wird um etwas, was seinem Wesen nach ein substanziell faules Ei ist.

Woran lässt sich das erkennen?

Natürlich mag die Bitcoin-Idee an sich eine nette technische Spielerei und eine zunächst originell anmutende Lösung sein, nur – für was eigentlich? Das ist die entscheidende Frage! Hält die Idee einer genaueren Betrachtung stand?

Diese angebliche „Lösung“ geht von der Vorstellung aus, das primäre Problem der Krise liege in der Art der Geldschöpfung und der Handhabung des Geldes, z.B. der Geldpolitik der Banken, was in der Summe der gesammelten Erfahrungen zu einem allumfassenden Vertrauensverlust geführt habe.

Das mit dem Vertrauensverlust ist ja völlig richtig, doch das Bitcoin unterliegt ansonsten den gleichen kaufmännischen Regeln. Es verbleibt vollständig in der Logik des Kapitals, deren Erscheinungsform es lediglich als rein „virtuelle Geldwährung“ auf der Oberfläche der Zirkulation modifiziert, während sein „Wert“ in der Konkurrenz auf dem Markt herausgefunden werden muss. Kommt uns das nicht bekannt vor? Ja – richtig – das nennt man auch Marktwirtschaft bzw. Kapitalismus.

Von dieser Oberflächenkosmetik abgesehen gelten die gleichen Vorgaben und Regeln der Rechnungsführung, Gewinn- und Verlustrechnung, ja sogar der gleichen Bilanzierung von Unternehmen, wenn es denn tatsächlich so weit käme, dass diese Währung so viel Akzeptanz finden und entsprechende Größenordnungen an Umsatz generieren könnte. Was jedoch noch viel mehr wiegt – die Bitcoin-Logik unterliegt damit vollständig(!) den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus und somit der gleichen Krisenhaftigkeit. Im Klartext: Es gehrt um Mehrwertproduktion, Gewinn, Kapitalakkumulation und Profit. So verwundert es nicht, dass bereits über die ersten Spekulationsblasen in Zusammenhang mit dieser Währung berichtet werden muss.

Die ganze Bitcoin-Idee basiert also auf einer stark verkürzten Kapitalismuskritik, die das Wesentliche völlig ausblendet. Der Wert wird lediglich als subjektiv bzw. zirkulativ (Tauschbewegungen) erzeugt verstanden. Die Aufmerksamkeit ist im Wesentlichen nur auf das technische Erzeugen der Bitcoins als Tauschäquivalente selbst gerichtet. Die gesamte Sphäre der gesellschaftlichen Waren-Produktion (und somit Wert-Produktion) bleibt hingegen außen vor.

Balken Bitcoin Thema

Es ist schon auffällig, dass genau zu diesem substanziellen Kernpunkt weder bei wikipedia noch im oben genannten Artikel beim FREITAG ein direkter Hinweis darauf zu finden ist. Er wird einfach blind und stillschweigend als Konsens vorausgesetzt. Genau da liegt jedoch der Pferdefuss. Die Analyse stimmte schon nicht. Kein Wunder, dass die Synthese dann sozusagen auch ein „falscher Fuffziger“ bleiben muss.

Die so genannte „Finanzkrise“ war in Wahrheit in ihrem Kern vor allem der Krise der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft entsprungen, und ist somit ursprünglich eine Wertschöpfungskrise.

Davon wissen die Bitcoin-Macher jedoch (scheinbar…?) nichts. Da endet also bereits die ökonomische „Genialität“ des Imaginären Bitcoin-Schöpfers Herrn „Nakamoto“. Typisch für die meisten Medien, dass das einfach so kritiklos in der Berichterstattung hingenommen wird. Ein Bewusstsein dafür scheint nur selten vorhanden zu sein. Stattdessen wird der Fokus des Lesers hauptsächlich auf die „Verschlüsselung“ gelenkt, weil das für ein „virtuelles Regionalgeld“ eben von entscheidender Bedeutung sei.

Fazit: An dieser Stelle gilt prinzipiell das Gleiche, wie für alle Regionalwährungen, egal ob nun in der physischen oder der digitalen Welt angesiedelt. Eine echte, tragfähige Alternative, die substanziell etwas anderes macht, sind sie leider nicht. Man rüttelt lediglich an der omnipotenten Allmacht der Banken. Eigentlich macht man ihnen damit nur ein paar Kratzer in den Oberflächenlack. Deshalb dürfte wohl kaum ein Banker ernsthaft um den Schlaf gebracht werden, nur weil es Regionalwährungen und Bitcoins gibt. Das System assimiliert solche Randerscheinungen des Kapitals im Zweifelsfall sowieso schneller, als es sich deren Macher heute vorstellen können (siehe auch folgenden Bericht vom SPIEGEL online).

Das Beispiel zeigt aber zumindest auch, wie ernsthaft sich immer mehr Leute mit dem Themenkomplex Wirtschaft ganz allgemein beschäftigen und vor allem wie kreativ die Enthusiasten plötzlich werden können, wenn es um neue, innovative Ansätze geht.

Vielleicht entwickelt sich ja am Ende aus der Ursprungsidee doch noch etwas völlig anderes, was die Beteiligten jetzt noch nicht erkennen können, z.B. der Gedanke, dass die durchaus sehr guten peer-to-peer Kommunikationsnetzwerke ab einem bestimmten Grad der Vernetzung und der Vertrauensverhältnisse eigentlich ausreichen, da man sie auch anders einsetzen kann, z.B. um Ressourcen und Verbrauch direkt(!) zu steuern. Man bräuchte nämlich (eigentlich) gar kein Geld, um eine Wirtschaft zu betreiben. Man muss nur auf die Idee kommen, die Tausch-Logik zu verlassen, um den alten Horizont zu erweitern.

Vielleicht hilft das Nachdenken über die Bitcoins ja letztendlich, ebenfalls zu dieser Einsicht zu gelangen, was zu beobachten bleibt… Das Bitcoin-Projekt insgesamt hat wie viele NGOs und bürgernahen Initiativen diesbezüglich durchaus interessantes Entwicklungspotential, wenn sich die kritische Selbstreflexion und damit das Bewusstsein dabei weiter entwickeln und neue Ideen ins Spiel kommen. Zusammen mit den Commons (mehr…) können die peer-to-peer Netzwerke für die Wirtschaft der Zukunft durchaus eine zentrale Rolle spielen.

Holger Roloff, 11.April 2013

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Wer sich zu den hier gemachten Aussagen näher informieren möchte, sei links auf die Texte in den Artikel-Kategorien „Wirtschaft“ hingewiesen.

Jede Menge wertkritische Texte und Büchertipps findet man darüber hinaus hier: www.exit-online.org

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Nachtrag vom 14. Mai 2013: Wie sich der Kapitalismus der Idee und Möglichkeit virtueller Bitcoins bedient, zeigt auch folgendes Beispiel (mehr). Der Kapitalismus assimiliert alles, was seiner Wesensart der Vernutzung und Verwertung der Welt als Ware entspricht und dienlich ist. Das Aufkommen solcher Veränderungen hat bereits eine lange Geschichte hinter sich (Einführen der Wechsel, Einführung des Papiergeldes, Verschwinden der Golddeckung, Einführen des Giralgeldes) und ist immer ein deutliches Symptom der Krise, da das Gesamtkapital sonst nicht mehr schnell genug wachsen kann.

Nachtrag vom 08. August 2013: Die Assimilation der Krypto-Währungen ins Kapitalsystem erreicht die nächste Stufe. Jetzt ist es nicht nur höchst richterlich abgesegnet, dass Bitcoins ein offizielles Zahlungsmittel sind (mehr), sondern auch die Anleger an den Finanzmärkten haben die Möglichkeiten es kriminell zu nutzen bereits ausgiebig praktiziert.

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Author: Jörg

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